EINE PANDEMIE OHNE ENDE?
Anna Lutterbeck gewinnt Landessiegerpreis beim diesjährigen Schülerwettbewerb „Begegnung mit Osteuropa“
Von Gerold Paul
Die folgende literarische Idee diente als Vorlage des diesjährigen Schülerwettbewerbs „Begegnung mit Osteuropa“, und es lag an den Schülerinnen und Schülern, ihre düstere Wahrheit in das Gegenteil zu verkehren. Es ist die Geschichte einer Pandemie ohne Ende, und die Heldinnen der Geschichte sind Sirin und Aga, deren Leben schon seit vielen Jahren von den aufgrund der Pandemie erfolgten Restriktionen bestimmt ist. Social Distancing ist für sie zum Alltag geworden: Sirin kennt niemanden außer den Mitgliedern ihrer Familie über den persönlichen Kontakt, Aga hat sie bei einer Videokonferenz kennen gelernt. Herr Konopka – so heißt ihr Geschichtslehrer – kann seinen Schülerinnen nur in einem virtuellen Klassenzimmer von den Anfängen der Pandemie berichten. Und verfällt dabei in eine nostalgische Stimmung, wenn er von den Freiheiten spricht, die die Klasse tatsächlich nicht kennt: „Aber was erzähle ich euch das? Ihr könnt euch das ohnehin nicht vorstellen.“ Oft sind seine traurigen Ausführungen mit dem melancholischen Hinweis verbunden, dass infolge der Beschränkungen auch ein reger Schulaustausch mit Polen beendet wurde.
Mit dieser literarischen Idee waren die folgenden Fragen verbunden: „Was, wenn man den Menschen einfach nicht gesagt hat, dass sie einander wieder begegnen dürfen? Schafft Sirin es, ihre Klasse dazu zu bringen, den gegebenen Zustand nicht länger hinzunehmen? Und steht am Ende womöglich ein Austausch, so wie früher, vielleicht sogar mit Herrn Konopka nach Olsztyn?“
Einer Marienschülerin, der vierzehnjährigen Anna Lutterbeck, gefielen diese Fragen offenbar so gut, dass es ihr gelang, ganz auf den Tenor der traurigen Vision gestimmt, aus der Dystopie eine Utopie zu machen. Ihre Geschichte, 51 Manuskriptseiten lang, erzählt von staatlicher Zensur und Lüge und schließlich von dem Mut und dem Freiheitswillen, den die tiefe Freundschaft zwischen Sirin und Aga hervorbringt. Das Talent, das Anna Lutterbeck beim Schreiben dieser Erzählung gezeigt hat, ist beeindruckend. Einhellig überzeugt war die Jury. Sie erklärte die Marienschülerin zur Landessiegerin. Der Wettbewerb „Begegnung mit Osteuropa“ stand in diesem Jahr unter dem Motto „Spürbar Europa!“. Die Preisverleihung findet am 23. Juni 2022 in einer zentralen Feierstunde statt. Zusätzlich zu den NRW-Landessiegerpreisen im Wert von EUR 300 werden acht Studienreisen nach Osteuropa verlost.