IN DER FAMILIE NACHGEFRAGT



Schülerinnen des Mariengymnasiums werden beim Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten ausgezeichnet
Von Dr. Stephanie Taube
Habt ihr schon einmal den Dachboden durchstöbert – auf der Suche nach der berühmten Kiste mit alten Briefen, Fotos und Gegenständen aus der Vergangenheit? Vielleicht ist es bei euch nicht der Dachboden, sondern der Keller oder das Bücherregal der Großeltern, in dem sich ein altes Familienalbum versteckt.
Julin und Marilin Lütke Laxen aus der Q2 haben sich im vergangenen Jahr auf Spurensuche in der eigenen Familie begeben. Sie arbeiteten eine NS-Täterinnen-Geschichte aus der weiteren Verwandtschaft auf – eine beeindruckende Leistung, für die sie beim diesjährigen Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten mit einem Landessieg ausgezeichnet wurden. Neben der Recherche zur Verstrickung ihrer Verwandten in das NS-KZ-System entwickelten sie einen Leitfaden, der junge Menschen dazu anregen soll, ebenfalls in der eigenen Familie nachzuforschen.
Wie lohnend das sein kann, zeigt meine eigene Erfahrung: Immer wieder bringen mir Schülerinnen und Schüler Fotos ihrer Urgroßeltern oder deren Geschwister, auf denen sie in Uniform oder sogar mit Hakenkreuz zu sehen sind. Oft wussten sie zuvor nichts davon, dass auch ihre Angehörigen Teil des Systems waren. Umso wichtiger ist es, behutsam mit den Großeltern – oder, wenn noch möglich, den Urgroßeltern – über die eigene Familiengeschichte zu sprechen. Lasst euch alte Fotos zeigen und notiert, wer darauf zu sehen ist. Denn unabhängig davon, ob es sich um eine Tätergeschichte handelt oder nicht: Wenn die ältere Generation einmal nicht mehr da ist, weiß oft niemand mehr, wer auf den Bildern abgebildet ist – und ein Stück der eigenen Geschichte geht verloren.
Der Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten lädt junge Menschen dazu ein, Geschichte selbst zu erforschen.
In diesem Jahr wurden gleich drei Rechercheteams der Europaschule ausgezeichnet: Neben dem Landessieg für die Aufarbeitung einer Täter:innenbiografie erhielten Romy Amsbeck, Emma Pfau und Freya Vorwerk aus der 10D einen Förderpreis für ihr Spiel „Gefangen hinter Grenzen. Die Geschichte von Katharina L.“. Einen Sachpreis erhielten Maya Aerdker und Lara Schröder, die sich intensiv mit Laras Familiengeschichte auseinandersetzten. In ihrer Arbeit mit dem Titel „Trennung, Flucht und Wiedersehen: Wie ist Laras Familie mit der deutsch-deutschen Teilung von 1945 bis 1989/1990 umgegangen?“ zeigen sie eindrucksvoll, wie Menschen sich nicht mit der Teilung Deutschlands abfanden, sondern ihr Schicksal selbst in die Hand nahmen.
Wir freuen uns sehr über das erfolgreiche Abschneiden beim Wettbewerb – und ebenso über das große Interesse, tiefer einzutauchen, die eigene Familiengeschichte zu hinterfragen und mit Zeitzeug:innen ins Gespräch zu kommen.