WANDERTAGE MINDESTENS EINMAL PRO WOCHE



Die Lehrerbibliothek wird ausgeräumt, um Platz für die Erweiterung der Europaschule zu schaffen
Von Gerold Paul
Die Lehrerbibliothek wird ausgeräumt, aber nicht nur die Bibliothek, sondern auch das Lehrerzimmer, die Räume der Schulleitung, das Sekretariat, fast der gesamte östliche Flügel des Schulgebäudes, dessen Fenster auf die Königsberger Straße sehen. Solange der neue Verwaltungsflügel nicht fertiggestellt ist, wird das Inventar in Kisten verpackt. Manche dieser mit verschiedenen Etiketten versehenen Kartons werden über ein Jahr lang nicht wieder geöffnet. Was also vor Jahrzehnten von ehemaligen Kolleginnen und Kollegen in der Bibliothek aufbewahrt worden ist, wird unter Umständen vollständig verschwinden, wie jenes Heft mit dem Titel „Schülerwanderungen“, das, von dem Geographen Dr. Oswald Muris verfasst, 1922 erschienen ist – wenn es in den Karton mit der Aufschrift „Papiermüll“ gerät.
Lagerfeuer für Großstadtkinder
Das in Vergessenheit geratene Heft verrät viel von der idealistischen Jugendbewegung der Weimarer Republik, die anfangs der Hitlerjugend zum Vorbild wurde. Man respektierte und liebte die freie Natur, das unermüdliche Wandern zusammen mit von jugendlichen Führern geleiteten Gruppen, das Zelten, die Selbstverpflegung und das Musizieren am Lagerfeuer. Oswald Muris empfahl den Schulen daher, Ausflüge oder Wanderungen mit Schülern „mindestens einmal pro Woche“ einzuführen. Das verschaffe vor allem den Großstadtkindern ungewohnte Erfahrungen, Fragen und Gefühle. Was dem Jugendlichen von den Eltern versagt wird, erlebe er nun im Wald.
Das Kreisarchiv Warendorf ist gewiss der passende Ansprechpartner, um in Zweifelsfällen zu bewerten, ob etwas aus dem Bestand der Lehrerbibliothek aufbewahrt werden sollte. Veraltete Lehrbücher in großer Stückzahl, die den Hauptbestand der Bibliothek ausmachen, gehören nicht dazu.
Und was das städtische Bauprojekt insgesamt betrifft: Der dritte Bauabschnitt, der Umbau und die Erweiterung des Verwaltungstraktes an der Nordseite des Mariengymnasiums, wird laut Planung bis Ende 2026 ausgeführt.